Frankfurt a.M., Wolgograd, Astrachan
Unsere Reise führt uns zunächst mit einer Boing
der LFG Condor nach Wolgograd. Herzlicher Empfang mit Brot und Salz unter
Mitwirkung der Bordkapelle auf der „MS Konstantin Simonow", die für
die kommenden zwei Wochen unser Zuhause sein soll.
Nach dem Abendessen beginnt unsere Schiffsreise in den Süden nach dem
500 km entfernten Astrachan am Beginn des Wolgadeltas - ca. 100 km vom
Kaspischen Meer entfernt.
Die Reise führt vorbei teils an Steppe, teils durch fruchtbares
Ackerland, das durch die vielen Seitenarme der Wolga bewässert wird:
Gemüse, Obst, vor allem Aprikosen etc. - Wie bereits erwähnt
liegt Astrachan am Beginn des eigentlichen ca. 150 km breiten Wolgadeltas,
100 km vom Kaspischen Meer entfernt.
Von 1925 bis 1977 ist der Spiegel des Kaspischen Meeres um 27 m gesunken.
Seitdem steigt er wieder langsam an. Bislang gibt es noch keine wissenschaftliche
Erklärung hierfür.
Die Stadt Astrachan wurde im 15. Jh. als Wehrfestung erbaut und verteilt
sich auf 90 Inseln. Sie zählt heute ca. 500.000 Einwohner. Neben Russen
(ca. 70 %) leben hier Tataren, Kalmücken, Kirgisen, Buddhisten u.a.
und noch ca. 6.000 Deutsche - insgesamt ca. 120 Nationalitäten. (Siehe
hierzu Hinweis auf Religionszugehörigkeit u.a. auf Animismus.)
Der zentral auf einem Hügel stehende Kreml (= Stadtburg) mit seinen
prunkvollen Kathedralen - wir konnten kurz in einen orthodoxen Gottesdienst
hineinschauen und hören - zeugt von der Macht der Zaren nach der
Eroberung Astrachans durch die Russen im 16. Jh.
Bekannt ist der große auch sonntags stattfindende Fischmarkt. Meine Frau
hat ein Foto machen dürfen und bekam dafür sogar noch einen
großen Fisch geschenkt. Wohin damit bei 37°C? Sie hat ihn sofort weiter
verschenkt. Der so Beschenkte machte ein reichlich verblüfftes Gesicht.
Ein Ausflug mit einem Motorschiff führte uns weit in das Delta hinein
u.a. in riesige Seerosen- und Lotosblumenfelder. Leider hätte es bis
zum Aufblühen noch einige Tage gedauert. Ein Fischer reichte ein
einzelnes aufgeblühtes Exemplar an Bord und wir konnten das Ausmaß
der Größe einer solchen Blume ersehen. Das gesamte Wolgadelta ist
Biosphärenreservat und steht unter dem Schutz der UNESCO. - Noch zu
erwähnen: Im Delta werden vorwiegend Hecht, Beluga und Stör
gefangen. Beluga ist wichtigster Kaviarlieferant (roter Kaviar) und
gehört zur Familie der Störe.
Wolgograd/vormals Zarizyn
In den frühen Morgenstunden erreichen wir Wolgograd.
Die am rechten Wolgaufer liegende Stadt - bis 1960 unter dem Namen Stalingrad
bekannt - (bis 1925 Zarizyn) erstreckt sich über eine Länge von 80
km entlang des Flusses und zählt heute 1,2 Mio. Einwohner. Das
heutige Stadtgebiet entspricht dem einer modernen Großstadt. Auch Zarizyn
wurde als Grenzfestung schon im 15. Jh. gegründet und im letzten
Weltkrieg vollkommen zerstört. Die schon von weitem sichtbare 85
m hohe Statue der „Mutter Heimat" auf dem Mamajew-Hügel erinnert
an die schlimme Zeit.
Mittwoch, 19. Juli 2000
Saratow
„Was machen wir im Sommer
wenn die Wiesenblumen blühen?
- Wir fahren nach Saratow
um die schöne Stadt zu sehen!"
Dieser kleine Vierzeiler sagt bereits einiges über die Stadt Saratow.
Zunächst der wunderschöne Ausblick von der Oberstadt auf die im
Hitzedunst liegende Stadt Engels auf dem Ostufer der Wolga. Engels ist
seit 1965 mit einer der größten Flussbrücken Europas mit Saratow
verbunden. Hier beginnt auch das ursprüngliche Siedlungsgebiet der
Wolgadeutschen - die, wie schon berichtet im 16. Jh. ins Land kamen; Es
erstreckte sich bis nach Samara hinauf; Pokrowsk - später Engels -
wurde seine Hauptstadt.
Viel „Deutsches" hat sich in Saratow niedergeschlagen. Viele gut erhaltene
aber auch restaurierte alte Bürgerhäuser, eine schöne
Fußgängerzone, in der sich das Deutsche Generalkonsulat befindet,
eine Universität, ein Konservatorium. Auch mehrere Kathedralen sind
zu erwähnen.
Donnerstag, 20. Juli 2000
Samara
Wie viele andere Städte wurde auch Samara als Schutz
der Reichsgrenzen gegründet. In einer kleinen Kathedrale konnten wir
an einem Gottesdienst teilnehmen. Prachtvoll die gesangliche Darstellung
der Liturgie.
In der Stadt gibt es eine kleine evangelisch-lutherische Gemeinde. In der
St. Georgs-Kirche wurden wir von dem aus Württemberg stammenden Pfarrer
begrüßt. Seine Kinder gehen hier zur Schule. Er bedauert die vermehrte
Abwanderung von Wolgadeutschen nach Deutschland.
Bekannt ist auch das Gorkij-Theater mit seinen in der Sonne leuchtenden
Backsteinfassaden. Der Schriftsteller Gorkij hat längere Zeit hier gewohnt.
(Anmerkung: Niemandem war bekannt, dass Stalin im letzten Krieg gegen
Deutschland in Samara einen unterirdischen Bunker bauen ließ, u.a. mit
einem persönlichen Arbeitszimmer 37 m tief unter der Erde. Der
gesamte Regierungssitz sollte nach hier verlegt werden.)
Freitag, 21. Juli 2000
Simbirsk/Uljanowsk
Im 16. Jh. gegründet unter dem Namen Simbirsk,
spielte die Stadt zunächst im Handel mit Asien eine wichtige Rolle,
verlor jedoch später an Bedeutung. Seine heutige Berühmtheit
verdankt sie dem hier 1870 geborenen Revolutionsführer Lenin. Sein
richtiger Name war Wladimir Uljanow. Seine Mutter war Deutsch-Schwedin.
Das von der kinderreichen Familie zuletzt bewohnte Haus ist heute Museum,
wie überhaupt der ganze Stadtkern eine Lenin-Gedenkstätte ist.
Zu Ehren von Lenin wurde Simbirsk bereits 1924 in Uljanowsk umbenannt.
Samstag, 22 Juli 2000
Kasan
Die Wolga fließt hier durch die autonome Republik
Tartastan, die seit 1992 souveräner Staat im russischen Staatenbund
ist, mit der Hauptstadt Kasan am östlichen Flussufer. Die Stadt
zählt ca. 1 Mio. Einwohner aus rund 70 Nationalitäten,
hauptsächlich Tartaren (50 %), die mit Russen und Sunniten (keine Schiiten)
einträchtig zusammen leben. In den umliegenden Wäldern gibt es
noch viel Wild, meist Wildschweine und Elche, was in der Stadt an vielen
Stellen bei Denkmälern, in Parkanlagen u.a. zum Ausdruck kommt. Auch
ist das Khanat reich an Erdölvorkommen.
Symbol dieser Stadt, die im 16. Jh. gegründet wurde, ist der
mächtige Kreml, weitgehend dem Moskauer Kreml nachempfunden. Die
Gründungszeit steht im Zusammenhang mit der Eroberung des Khanats
Tartastan durch Russland im 15. Jh., nachdem immer wieder Fremdvölker
an der Wolga Fuß zu fassen versuchten. Zum Gedenken an den Sieg wurde die
berühmte Basilius-Kathedrale am „Roten Platz" in Moskau erbaut.
Durch Zufall konnten wir miterleben, wie der Khanatspräsident mit
Eskorte in einem schwarzen Daimler seinen Regierungssitz im Kreml verließ.
Eine Vielzahl von Minaretten prägt das Gesicht dieser Stadt. Bekannt
ist die Martschani Moschee. Es gibt aber auch Kathedralen. Die berühmteste
ist die Peter-Paul-Kathedrale, derzeit im äußerlichen Renovierungsstadium.
Es gibt eine Reihe von Universitäten. Über längere Zeit
lehrte hier auch der Naturforscher Alexander von Humboldt. Mit deutschen
Universitäten besteht ein reger Austausch. Viele schöne
Bürgerhäuser und Parks runden das Bild dieser Stadt ab.
Interessant ist die Fußgängerzone mit ihren Geschäften und Restaurants.
Sonntag, 23. Juli 2000
Nischnij-Nowgorod (Gorkij)
Am Zusammenfluss von Wolga und Oka ist sie heute mit 3.
Mio. Einwohnern die drittgrößte Stadt Russlands.
Zu den Sehenswürdigkeiten dieser Stadt zählen der große Kreml
aus dem 14. Jh., die russische Zentralbank mit ihrer von traditionellen
Motiven inspirierten Innenausstattung, sowie die Alexander-Newski-Kathedrale
und das Gorkij-Museum. 1980 - 1986 war die Stadt Verbannungsort des bekannten
Atomphysikers Andrej Sacharow mit seiner Frau Elena Bonner.
Imponierend auch hier der alte Stadtkern von Nowgorod. Das linke Wolgaufer
gehört der Industrie - lange Jahre von der Außenwelt abgeschottet -
Raumfahrttechnik - und heute Automobilbau. Bekannt sind die schwarzen
Limousinen der Marke Wolga für die Regierungs
.
Montag, 24. Juli 2000
Jaroslawl
Die bereits im 9. Jh. gegründete Stadt gehört wie die bereits hinter uns liegende Stadt Kostroma, an der wir nur kurz anhielten, und dem noch vor uns liegenden Uglitsch zum Goldenen Ring, einer Gruppe historischer Städte im Gebiet nordöstlich von Moskau. Im Zentrum der Stadt das Erlöserkloster aus dem 12. Jh. - eines der größten und wohlhabendsten in ganz Russland. Geschäfts- und Bürgerhäuser zeugen von der Bedeutung, die auch Jaroslawl dank seiner Lage an den Handelswegen aus dem Mittleren Osten und aus Europa besaß. Um die Mitte des 17. Jh. war Jaroslawl nach Moskau zweitgrößte Stadt des Reiches. Neben Museen für Kunst und Geschichte besitzt die Stadt das älteste Theater Russlands.
Dienstag, 25. Juli 2000
Uglitsch
Uglitsch ist eine Kleinstadt geblieben, aber eine der
ältesten Russlands. Außerhalb des mächtigen Kremls mit mehreren
Kathedralen birgt auch diese Stadt eine Reihe schöner Bürgerhäuser,
Kathedralen und Museen - das wichtigste ist das Wodkamuseum. Uglitsch gehört
wie auch Jaroslawl zum Goldenen Ring.
Mittwoch, 26. Juli 2000
Moskau
Wir passieren den 128 km langen Moskwa-Wolga-Kanal über
zwei Staustufen und erreichen exakt 10.30 Uhr den nördlichen Flusshafen
von Moskau. Am Anleger stehen zwei Herren mit einem Transparent Renate und
Werner Norbeteit steht darauf zu lesen. Es waren Vater und Sohn einer
Familie, mit der wir schon seit neun Jahren im brieflichen Kontakt stehen,
die wir bisher jedoch noch nicht persönlich kennen. Wir werden noch
einige Tage mit unseren Freunden in der russischen Hauptstadt verbringen.
Unsere Reise aber durch das Herz Russlands mit vielen unvergesslichen
Eindrücken, vor allem auch aus der russischen Geschichte, ist zu Ende.
Renate und Werner Norbeteit