Führerscheinfreier
Hackenporsche

Vor kurzem rollerte ich mit meiner ausnahmsweise prall gefüllten Fahrtasche und dem noch an das Gestänge gelehnten vollen Leinenbeutel gemütlich nach Hause und traf meine Nachbarin. Sie wartete vor dem Schaufenster des Bäckerladens, ihre schweren Einkaufstaschen neben sich auf dem Boden und strahlte mir entgegen. Wir gingen zusammen weiter, blieben aber wegen ihrer schweren Taschen immer wieder stehen. Zum Glück regnete es nicht, so dass sie sie auf den Boden stellen und ihre Arme ausruhen konnte. Die Zeit wurde uns jedoch nicht lang, denn wir erzählten uns das Neueste.
Als wir uns vor ihrem Haus trennten, bollerte ich gemütlich weiter und dachte darüber nach, wieviel Spaß und Erleichterung mir mein Hackenporsche schon brachte.

Angefangen hatte alles in dem Urlaub, in dem wir uns zum ersten Mal eine Ferienwohnung mieteten. Ich kochte zwar kein großartiges Mittagessen, doch eingekauft und heim getragen werden mussten Fertiggerichte in Dosen und die anderen Lebensmittel ebenfalls.
Beim zweiten Einkauf im dortigen Supermarkt entdeckte ich Taschen auf Rollen. Ein großes rotes Schild lockte mich zu dem angeblich einmaligen Sonderangebot. Eigentlich brauchte ich keine neue Tasche, untersuchte sie aber trotzdem und kaufte sie mir danach als Urlaubsandenken. Es war ein großes "Mitbringsel", doch dafür auch praktisch und würde zu Hause nicht in irgendeiner Ecke vollstauben.

Nicht nur ich war begeistert von dem Einkaufsroller, sondern auch meine Tochter und deren Urlaubsbekanntschaft. Die Kinder wollten in dem Karrenauto spazierengefahren werden. Also wurden sie abwechselnd in die Tasche gestellt und gezogen. Einer war immer müde. Die Karre Berg rauf zu ziehen war anstrengend, aber Berg runter lief sie von allein. Wenn ich dann allerdings nicht aufpasste, lief sie mir plötzlich in die Hacken.

Zu Hause fühlte sich meine Tochter zu groß für den Kinderwagen, in dessen Netz ich die eingekauften Sachen sonst verstaut und nach Hause gefahren hatte. Ich traute mich jedoch nicht den Einkaufsroller mitzunehmen, kam mir damit alt und faul vor. Auf dem Rückweg war Jana müde und quengelte. Folglich nahm ich beide Taschen an eine Hand, meine Tochter auf den Arm und trug sie bis zu einer Mauer. Da balancierte sie, ließ sich mit Bonbons noch einige hundert Meter weiter locken, doch dann stellte sie sich vor mich hin und wollte wieder auf den Arm. Der Heimweg war sehr anstrengend.

Beim nächsten Einkauf zog Jana den Einkaufsroller auf dem Hinweg. Einmal ließ sie, als ein Hund aus einer Seitenstraße angerannt kam, vor Schreck den Griff los und die Tasche knallte auf die Erde. Sie wollte auch selbst ein Stück gefahren werden und bitte schön - warum soll sowas nur im Urlaub möglich sein!

Auf dem Nachhauseweg balancierte Jana wieder über die Mauer, stellte sich danach auf die Verbindungsstange zwischen den Taschenrädern und fuhr ein Stück. Am Marktspielplatz rutschte Jana ein paar Mal, schaukelte etwas und dann marschierten wir weiter.
Als es anfing zu regnen, stellten wir uns unter. Es war zum Glück nur ein kurzer Schauer und die Bürgersteige, bis auf einige Pfützen, bald wieder trocken. Wir ließen Rolli durch die Pfützen laufen und hinterher mit seinen Rädern schwarze Streifen ziehen, luden ihm dafür noch Janas Rucksack auf und sie lief über die von ihm gemalten Straßen. Herrlich ging es uns. Zu Hause war ich zwar müde von dem Weg, aber nicht erschöpft von der Schlepperei.

Mit zunehmendem Alter rostete allerdings "Rollis" Gestänge, schrien seine Räder immer öfter nach Öl und manchmal löste sich auch einfach ein Rad. Einige Male steckte ich es wieder auf, doch als er beim Herabfahren vom Bürgersteig ein Rad verlor und die Eier durch den Ruck zerbrachen, gab ich ihn auf. Zu meinem Geburtstag bekam ich Gott sei Dank eine neue Fahrtasche, sogar mit Innenfächern und größeren Rädern. Ein herrliches Geschenk.

Und wie oft war es mir passiert, daß ich nicht nur die Teile kaufte, die ich mir vorgenommen hatte! Wenn ich die Spontankäufe dann in dem Bauch verstaute und bequem damit nach Hause fuhr, freute ich mich jedesmal an ihm.

Meine jetzige Karre hat sogar einen ausklappbaren Bodenrost für Kästen. Wenn das Auto nicht zur Verfügung steht und ich dann trotzdem Sprudel einkaufen will, hole ich den Wasserkasten darauf und fahre ihn bis in die Wohnung. Für die großen Räder der Karre ist das Treppensteigen ganz leicht.
Im Geschäft hänge ich auch diese Fahrtasche an den Haken des Einkaufswagens. Ist ihr jedoch gerade nach Schabernack, lehnt sie eines ihrer Räder gegen ein Rad des Einkaufswagens und bremst ihn. Als ich sie noch nicht so genau kannte, wechselte ich die Wagen aus, weil ich glaubte, es läge an dessen Rädern. Aber heute... Manchmal zankt sie auch beim Umkurven der Gondeln, hält sich einfach an einer Ecke fest oder versucht, anderen Beinchen zu stellen. Im Gedränge auf Straßen und Plätzen muß ich daher besonders auf sie achten.
Aber diese kleinen Nachteile nehme ich gern in Kauf, denn schwere Taschen machen "lange" Arme auf dem Heimweg und verderben den Spaß am Einkauf.

Wilma Frohne