Vom Namen und dem Wappen
der Stadt Schwerte

Teil II: Das Wappen von Schwerte

Wie ich in meiner sechsteiligen Reihe "Vom Werden der Stadt Schwerte"1) ausgeführt habe, ist unsere Stadt aus der "curtis swerte", dem Zentralhof und zugehörigen Ländereien des Xantener Fronhofverbandes Schwerte, hervorgegangen.

Dieser Oberhofkomplex ist meines Erachtens mit dem Schwerter Altstadtkern identisch. Er wird durch folgende Straßen markiert: Ostenstraße, Hellpothgasse, Hellpothstraße, Am Kirchhof, Kötterbachstraße, die ehemalige Schulstraße und die Hagener Straße.

Über das Problem, wie die "Stadtwerdung Schwertes" im einzelnen abgelaufen sein könnte, werde ich an anderer Stelle berichten. Jedenfalls war das Kirchdorf Schwerte bereits in den ersten Jahrzehnten des 14. Jhdts. Mittelpunkt einer politischen Gemeinde mit genau abgegrenztem Territorium und separater Gerichtsbarkeit.

Dieses, vermutlich mit "Weichbildrecht" ausgestattete, Gemeinwesen war agrarisch strukturiert ²). Doch müssen sich hier schon sehr früh Kaufleute niedergelassen haben. Ferner scheint der Ort schon das Marktrecht besessen zu haben. Nur so macht es einen Sinn, wenn bereits um 1346 die "Gemeinde" Schwerte, wie ich sie mal bezeichnen will, im Ladungsverzeichnis des Dortmunder Fronen erscheint ³).

Als Oberhof des Reiches in Westfalen stand nämlich dem Dortmunder Ratsgericht in allen Fragen des Kaufmanns- und Marktrechtes eine letztinstanzliche Urteilsfindung zu. Bei Verstößen gegen eben dieses "ius mercatorum" konnte Dortmund die betreffenden Städte und Gemeinden vor sein Ratsgericht laden, wie im Falle Schwerte schon um 1346 geschehen. Gleichfalls war das Dortmunder Ratsgericht in Sachen Marktrecht Appellationsinstanz für das Schwerter Ratsgericht. Dieser Rechtszug wurde auch noch 1397 durch Graf Diedrich v. d. Mark ausdrücklich anerkannt 4).

Schwerte, gleich ob wir es Wigbold, Freiheit oder schon Stadt nennen wollen, wie es für 13445) erstmals belegt ist, war jedenfalls spätestens 1340 eine "Kommunale Körperschaft des öffentlichen Rechts" und als solche mit Sicherheit siegelführungsberechtigt.

Nun stellt sich die Frage: Seit wann führt denn Schwerte das Wappen mit den beiden gesenkten, ins Andreaskreuz gestellten Schwertern im Siegel?

Wie ich bereits in meiner oben genannten Aufsatzreihe ausgeführt habe, kann das Schwerter Wappen mit dem ähnlichen Essener Stiftswappen des 17. Jhdts. nichts zu tun haben.

Den ältesten, freilich nur indirekten Nachweis des Wappens finden wir im fernen Gotland auf der sogenannten Grabplatte des Heinrich von Ergste. Sie befindet sich auf dem St.-Hans und St.-Pers-Friedhof zu Visby 6).

Diese gewaltige 4,15 x 2,45 m große Grabplatte ist freilich nicht dem Heinrich von Ergste zuzuschreiben. Sie ist vielmehr das Grabmal des (Dortmunder?) Hansekaufmanns Everhard de Monte (vom Berge) und seiner Gattin Margareta, vermutlich eine geborene von Gelinchusen 7) aus Schwerte (+ 14.9.1346). Der Margareta ist jedenfalls das rechte, heraldisch linke Wappen des Steines "auf der Frauenseite" mit Sicherheit zuzuordnen. Da Everhard nach dem Tode seiner Frau Gotland verließ, ist der Stein unvollendet geblieben. Über die Grabplatte werde ich demnächst, in Ermangelung einer eigenen Schwerter Heimatzeitschrift, in den Hohenlimburger Heimatblättern berichten.

Dass der Stein dem "Hinric de Erghesten" (+ 25.3.1321) zugeschrieben wurde, der als erster in der Gruft der de Monte bestattet wurde, hat darin seine Ursache, dass Josef Spiegel den Namen "Ergste" in räumlichen Bezug zu dem Wappen der Margareta brachte. Es zeigt nämlich im quergeteilten Schild, im oberen Feld zwei gesenkte, ins Andreaskreuz gestellte Schwerter, darüber ein fünfstrahliger Stern. Das untere Feld ist geschacht. Dieses Wappen nimmt eindeutig Bezug auf Schwerte und die Grafschaft Mark. Es ist daher nicht als Familien- sondern als Herkunftswappen zu interpretieren. Im Übrigen ist von den Gelinchusen kein Familienwappen bekannt.

Daraus folgt aber auch, dass die Stadt Schwerte bereits bei Arbeitsbeginn an der Platte das Wappen mit den gekreuzten Schwertern schon geführt haben muss. Mit der Arbeit an der Grabplatte wurde jedoch erst 1346 begonnen, wie ich in dem angekündigten Aufsatz nachzuweisen gedenke. Kurz danach hat man die Arbeiten abgebrochen. So wurden die beiden vorgesehenen Ganzkörperreliefs der Eheleute nicht mehr ausgeführt und die nun öden Leerflächen der Kapellen durch eine optische Verbreiterung der Mittelsäule, vermittels Sockel, Säulenringen und Kapitäll, die auch links und rechts im Anschnitt wiederholt wurden, optisch aufgelockert. Erst im letzten Arbeitsgang wurde die Steinumschrift angefertigt, in der auch des hier zuerst bestatteten Heinrich von Ergste gedacht wurde.

Obwohl kein Stadtsiegel Schwertes aus dem 14. Jhdt. erhalten ist, dürfen wir es als sicher erachten, dass die Stadt dieses Wappen mit den gekreuzten Schwertern zu dieser Zeit schon geführt hat und im Siegel verwendete.

Die ältesten Nachweise dieses Wappens stammen von den beiden Dienstsiegeln des Schwerter Richters Diedrich Molderpas von 1383 und 1388 8), sowie vom Dienstsiegel des Schwerter Richters Heinrich Schulderbein von 1399 9).

Die Wappen der 19 siegelführenden märkischen
Städte und Freiheiten des Mittelalters.

Erst aus dem 15. Jhdt. sind städtische Siegel mit dem Wappen erhalten.So finden wir es auf dem Secret-, dem Geheimsiegel von 1427 10) und dem großen Stadtsiegel v. 1473 11).

Dass nur zwei städtische Siegel des 15. Jhdts. die Zeiten überdauert haben, liegt einerseits daran, dass zahllose mittelalterliche Urkunden verschollen sind, andererseits an der Empfindlichkeit der alten Wachssiegel. Wenn überhaupt sind sie oftmals nur als Fragmente erhalten geblieben.

Das Schwerter Wappen zählt in der Heraldik zu den sogenannten "Redenden Wappen", in denen der Name durch das Schildbild ausgedrückt wird. Nun werden Sie sich erinnern, dass der Name Schwerte nicht auf das Schwert als Waffe zurückzuführen ist. Dies ist in der Heraldik auch ohne Bedeutung, da nur die "Akustik" des Namens zählt. Es stellt sich mir doch die Frage, ob wir in dem Schwerter Wappen allein ein lautmalendes Zeichen des Stadtnamens sehen dürfen.

Sigeltafel.
Alle Abbildungen wurden dem Werk "Die Westfälischen Siegel des Mittelalters" entnommen. Mit freundlicher Genehmigung des StADortmund.


1) Walter II.v.Hengebach, Vogt von Soest, 1240, T.210, Nr.1.
2) Heinrich gen. Sundag, Richter zu Recklinghausen, 1274, und Friedrich v. Asseln gen. Sundag, Richter zu Recklinghausen, 1302, T.210, Nr.2.
3) Heinrich Voss, Richter zu Drolshagen, 1494, T.210, Nr.7.
4) Johann v. Büren, Richter zu Rheine, 1469, T.165, Nr.16.
5) Ludolf Kuche, Richter zu Bocholt, 1349, T.165, Nr.16.
6+7) Diedrich Molrepas/Molderpas, Richter zu Schwerte, 1383/88, T.210, Nr. 4. und 5.
8) Heinrich Heiker gen. Hamersmet, 1451, T.210, Nr.6.
9) Friedrich Sundag, 1327, T.210, Nr.3.
10) Heinrich v.Diepenbrock, 1494, T.165, Nr.15.



Ob wir die Siegel Nr.8 und 9 auch als Richtersiegel ansprechen können, bleibt z.Z. unklar; das Siegel Nr.10 mit Sicherheit jedoch nicht.

Wenn wir die mittelalterlichen Wappen von 19 märkischen Städten und Freiheiten betrachten, die überliefert sind, so nehmen 5 davon eine Sonderstellung ein 12). Es sind dies Westhofen, Lünen, Bochum, Hattingen und Schwerte. Alle übrigen 14 Wappen zeigen spätestens nach 1350 auch den Märkischen Schachbalken als Gräfliches Hoheitszeichen. Darunter finden wir auch die vier vor Schwerte rangierenden "Hauptstädte" der Grafschaft Mark: Hamm, Unna, Kamen und Iserlohn.

Dass die Beifügung des märkischen Schachs in den Stadtsiegeln und Wappen in das Ermessen der jeweiligen Städte gestellt wurde, glaube ich nicht. Dies dürfte auf landesherrliche Anordnung geschehen sein.

Was bedeutet das in letzter Konsequenz?

1. Die Städte kennzeichnen sich durch den Schachbalken als märkische Städte, unter der Landeshoheit der Grafen v. d. Mark.

2. Sie unterlagen in Sachen der Blut- oder Hochgerichtsbarkeit der gräflichen Jurisdiction.

Nun ist Schwerte spätestens seit der Privilegienerweiterung von 1397 durch Graf Diedrich v. d. Mark als märkische Stadt zu betrachten. Wenn, wie im Falle von Schwerte, Westhofen, Lünen, Bochum und Hattingen, auf die Beifügung des märkischen Schachbalkens in den Wappen und Siegeln verzichtet wurde, so dürften dafür rechtliche Gründe ausschlaggebend gewesen sein. Im Falle der letztgenannten 3 Städte kann ich diese noch nicht erkennen 13). Anders im Falle Schwerte und Westhofen. So war die Freiheit Westhofen stets ein Teil des Reichshofes Westhofen. Trotz dauernder Verpfändung des Reichshofes an die Grafen von der Mark besaßen diese hier nur vogteiliche und grundherrschaftliche Rechte. Die Hoheit dagegen lag nach wie vor beim Deutschen König oder Kaiser. Daher hatte der märkische Schach in Siegel und Wappen des Reichshofes und der Freiheit (Reichsadler) auch nichts verloren.

Im Falle Schwertes zeigt sich jedoch seit 1391 deutlich die Landeshoheit der Grafen v. d. Mark über die Stadt, mit allen daraus für die Stadt erwachsenen Rechten und Pflichten. Eine gräfliche Jurisdiction über die Stadt ist jedoch nicht erkennbar. So besaß zwar das Amt Schwerte einen gräflichen Richter, doch gab es weder einen landesherrlichen Stadtrichter, noch einen Rechtszug des Stadtgerichtes an das gräfliche Hochgericht zu Hamm.

Der Engel von St.Victor. Gewölbe-
fresko des 15.Jhdts.

Die einzige Darstellung des Schwerter Wappens in Kombination mit dem Märkischen, finden wir, von dem Stein von Visby einmal abgesehen, bei dem sog. "Engel von St. Victor". Es ist ein Gewölbefresko des 15. Jhdts. am ersten Joch der Victorkirche. Der Engel, als Schildhalter, präsentiert hier die beiden Wappen. In der linken Hand, also der heraldischen Rechten und ranghöheren Position, hält er den Märkischen Schild, in der Rechten, der heraldischen linken Hand, den Schwerter Schild.

Auf der Suche nach Parallelen zum Schwerter Wappen stieß ich auf eine ganze Reihe von gleichartigen Wappensiegeln, welche von Personen unterschiedlicher Geschlechter geführt wurden. Sehen sie hierzu die Siegeltafel. Sie alle hatten jedoch etwas gemeinsam. Die meisten von ihnen siegelten in ihrer Eigenschaft - als Richter!

Wenn wir jedoch berücksichtigen, dass von den insgesamt sieben in richterlicher Funktion siegelnden Personen, wahrscheinlich fünf völlig andere Geschlechterwappen führten, und dass keine der Städte in denen sie als Richter amtierten, von Schwerte abgesehen, ein Wappen mit den Schwertern führte 14), dann lässt das nur einen Schluss zu - es kann sich bei den beiden gesenkten und ins Andreaskreuz gestellten Schwertern nur um ein Jurisdictionssymbol handeln!

Ähnlich verhält es sich auch bei zwei mir bekannten Rheinischen Geschlechtern, die ein solches Wappen führten, den v. Broich zu Wershofen, ehemals Vögte von Grevenbroich 15), und den v. Hillen, Patrizier und Schöffen zu Roermond 16).

Hier erweckt es bei mir den Eindruck, als hätten diese Familien ihre ehemaligen Amtswappen als Familienwappen übernommen.

Ich habe mich daher mit dem bekannten Heraldiker Lother Müller-Westphal in Verbindung gesetzt und ihm meine Vermutung bezüglich der Wappen mitgeteilt. Prinzipiell bestätigte er meine Hypothese. Tatsächlich seien die beiden gesenkten, ins Andreaskreuz gestellten Schwerter das Symbol der vogteilichen und richterlichen Hochgerichtsbarkeit. Freilich sei nicht jedem gleichartigen Wappen diese Bedeutung beizumessen. Bei den hier genannten Fällen deute jedoch alles darauf hin.

Oben rechts: Das Wappen des Geschlechtes von Broich zu wershofen bei Grevenbroich.
Oben links: Das Wappen der Patritizierfamilie Hillen aus Roermond.
Unten: Schöffensiegel des Gaedert Hillen aus Roermond von 1458 und 1462.


Kommt demnach dem Schwerter Wappen, neben seiner Eigenschaft als "Redendem Wappen", noch eine juristische Bedeutung zu? Besaß die Stadt, im Gegensatz zu den übrigen märkischen Städten, auch das Recht zur Ausübung der Blut- oder Hochgerichtsbarkeit, die im Wappen
Wappen und Siegel Kölner Ratsgeschlechter
1) Conrad v.Schnirfeld, BM von Köln, 1505-20
2) Loschart
3) Syvart van Gynt, 1454


ihren Ausdruck fand? Das Fehlen eines landesherrlichen städtischen Richters, der fehlende Rechtszug an das gräfliche Hochgericht nach Hamm und der bestätigte Rechtszug nach Dortmund lassen das möglich erscheinen. Das wäre freilich außergewöhnlich! Doch bis zur endgültigen Klärung dieser Frage wird noch viel Wasser die Ruhr hinunter fließen.

Reinhold Stirnberg

Anmerkungen:


  1. AS-Aktive Senioren, Heft 36/96 - 41/97.

  2. Vergl. Karl Kroeschell, Stadtgründung und Weichbildrecht in Westfalen. Aschendorf/Münster, 1960.

  3. Dortmunder Urkundenbuch (DUB) I, Nr. 836 o. D.

  4. Artikel 3 des zweiten Privilegs der erweiterten Stadtrechte vom 25.11.1397. Original im StASchwerte.

  5. Clarenberger Urkundenbuch, Nr. 45.

  6. Wilhelm Bleicher, Erinnerung an Hinricus de Ergheste, Hohenlimburger Heimatblätter, Heft 6/96.

  7. Die von Gelinchusen genannt Krummer waren im Amt Schwerte ansässig. Ihnen gehörte im 14. Jhdt. verm. auch der Gelinckhäuser Hof im Reichshof Westhofen, die Hälfte des Stein- oder des Wortmannsgutes zu Overberge. Den Beinamen gebenden Hof, als Wohnsitz der Familie, vermute ich in dem Hof Krümmer in Geisecke, ehe sie in den Besitz des Hauses Ohle gelangten. Siehe hierzu:
    L. Nieland, Der Reichshof Westhofen im Mittelalter, Dortmund 1953, S. 244f.
    E. Krömeke, Materialien, Urkunden u. Regesten zur Geschichte der Stadt Schwerte, Manuskript 1861/62, S. 70, Kopie beim Verf. u. StASchwerte.
    W. Honselmann, Haus Ohle i. d. Gemeinde Hennen, Hohenlimburger Heimatblätter, Heft 11/70, S. 229-288.

  8. Die Westfälischen Siegel, Tafel 210, Nr. 4 u. 5.

  9. Max v. Spießen, Wappenbuch des Westfälischen Adels, Tafel 288.

  10. Die Westfälischen Siegel, Tafel 92, Nr. 3.

  11. dito, Tafel 73, Nr. 7.

  12. Nach Klemens Stadler, Deutsche Wappen, Bd. 7.

  13. Es gibt zwar einige Anhaltspunkte, doch müssen sie noch weiter untermauert werden.

  14. Klemens Stadler, siehe oben.

  15. Ernst v. Oidtmann, s. genealogisch-heraldische Sammlung in der Universitätsbibliothek zu Köln. Westd. Gesellschaft f. Familienkunde/Köln, 1992, Bd. 3, Mappe 156.

  16. dito, Bd. 8, Mappe 614.