"Keine Rückkehr im Alter?"
Zur Situation der älter werdenden ausländischen Mitbürger

Ende 1989 lebten im heutigen Bundesgebiet knapp über 5 Millionen Ausländer. Die meisten von ihnen stammten aus sogenannten "Anwerbeländern", aus den Ländern also, aus denen wir Arbeitskräfte für unsere Wirtschaft herbeigerufen haben.

Der Anteil der Älteren (60 Jahre und älter) unter den in unserem Land lebenden Ausländern ist gering, er liegt seit Anfang der 60er Jahre bei 6%. (Bei der deutschen Bevölkerung beträgt er 20,3%).

Nach einem Gutachten von F. Hohloch rücken aber die starken Jahrgänge der "Gastarbeiter" der ersten Stunde allmählich in die Altersgruppen über 60 auf, so dass bis zum Jahre 2030 der Anteil der Älteren bei den Ausländern auf 29% steigen könnte.

Es zeichnet sich ab, dass eine Rückkehr im Alter für viele von ihnen nicht wünschbar oder nur schwer möglich ist. Zu den in Deutschland entstandenen familiären und sozialen Bindungen kommt für viele die Entfremdung vom Herkunftsland. Außerdem ist ein wichtiger Gesichtspunkt die gute Gesundheitsversorgung hier bei altersbedingten oder durch die Berufsarbeit erworbenen Schäden.

Die Stadt Stuttgart hat erkannt, dass sich die Altenhilfe auf diese Situation vorbereiten muß. Im oben erwähnten Gutachten von Hohloch werden als Leitlinien empfohlen:

Berücksichtigung des nationalen, ethnischen, kulturellen und religiösen Hintergrundes der älteren Menschen aus den Anwerbeländern.

Berücksichtigung der sprachlichen Verständigungsmöglichkeiten in den jeweiligen Einrichtungen.

Berücksichtigung der besonderen Familienorientierung durch Einbezug von Angehörigen.

Berücksichtigung des Bedürfnisses nach geschlechtsspezifischen Angeboten.

Berücksichtigung der Lebenssituation deutscher Senioren in den bestehenden Einrichtungen und die damit einhergehende Akzeptanz gegenüber ausländischen Mitbürgern.

Berücksichtigung der ethnischen Zugehörigkeit als Element positiver Identitätsbildung alter Menschen aus den Anwerbeländern.

Berücksichtigung des innerethnischen Sozialgefüges (Familie, Nachbarschaft, Vereine, religiöse Vereinigungen, Missionen) als Quelle von Ressourcen für die Entwicklung der Hilfestellungen für ältere Arbeitsmigranten.

Hohloch, Friedericke: Situation älter gewordener, nicht mehr im Arbeitsprozess stehender ausländischer Mitbürger. Gutachten im Auftrag der Landeshauptstadt Stuttgart. Reutlingen: Eigenverlag 1990.

(KDA/bs)