Die AS – ein wichtiges Medium in Schwerte...
Ich möchte auf die AS nicht verzichten

Am 26.9.99 hat eine deutliche Mehrheit der Schwerter Bürger und Bürgerinnen Heinrich Böckelühr zum neuen Bürgermeister von Schwerte gewählt. Der 37jährige Rechtsanwalt ist in Schwerte geboren und aufgewachsen. Schon seit seiner Schülerzeit hat er sich politisch betätigt. Er war seit 1988 Mitglied des Rates.

Da er nach der neuen Gemeindeordnung als hauptamtlicher Bürgermeister jetzt Herausgeber der AS ist, haben wir ihn um ein Interview gebeten.

AS: Zu Ihrem Wahlsieg möchten wir im Namen der AS-Redaktion herzlich gratulieren und Ihnen alles Gute wünschen für die große Aufgabe, die sie übernommen haben.

Unsere erste Frage: Fühlen Sie sich primär als erster Bürger und Vertreter des Rates oder als Verwaltungschef?

BM Böckelühr: Ja, ich habe im Wahlkampf gesagt: Die Bürger sind meine Arbeitgeber und so verstehe ich eigentlich auch mein Amt. Die demokratische Legitimation ist durch die Bevölkerung und nicht durch den Wahlakt des Rates gegeben - so wie bisher der Behördenchef gewählt worden ist - und ich sehe meine Aufgabe in erster Linie als Interessenvertreter der Bevölkerung, der jetzt eine zusätzliche Kompetenz hat, die Dinge, die an einen herangetragen werden aus der Bevölkerung, in die Verwaltung hinein zu tragen, um sie zum Wohle der Bevölkerung umzusetzen.

Die Verwaltung ist in erster Linie Dienstleister des Bürgers und nicht so sehr Obrigkeit. Und ich habe im Wahlkampf eigentlich die Erfahrung gemacht, daß viele Bürger den Eindruck haben: "die im Rathaus" - wobei sie nicht mal unterscheiden zwischen Politik und Verwaltung - die machen was sie wollen und vertreten nicht die Interessen von uns Bürgern. Und ich glaube, daß es nicht meine Aufgabe ist, hier im Büro zu sitzen, die Akten (...) von links nach rechts zu bearbeiten, sondern heraus zu gehen zu den Menschen und zu hören, wo Dinge sind, die im Argen liegen und zu überlegen, wie man das denn erledigen kann.

AS: Als langjähriger Ratsherr kennen Sie ja die Probleme Schwertes.

BM B.: Eben drum und deswegen fällt es mir ja auch leicht, bestimmte Dinge, die mir bekannt sind, auch an der Stelle umzusetzen und ich glaube auch, daß der Wahlerfolg darin liegt, daß die Bevölkerung sagt, da ist jemand, der kommt von hier, der ist hier geboren und der ist hier aufgewachsen, hat hier Politik gemacht und er kann nachvollziehen, wo uns der Schuh drückt.

AS: Unsere Leser interessiert natürlich besonders, was sie auf dem Gebiet der Altenpolitik planen, denn die Zahl der Senioren nimmt zu.

BM B.: Eindeutig. Das wird ja eine immer größere Gruppe, auch wenn im Wahlkampf die Gruppe der 16-18jährigen Wähler im Vordergrund stand, weil’s was Neues ist. Aber ein Großteil der Menschen ist über 60. (...) Es ist nicht nur die größte Wählergruppe, sondern wir müssen auch Politik machen für die älteren Menschen.

Wir haben jetzt hier im Rat den sogenannten Seniorenbeirat, der aus meiner Sicht aufgewertet werden muß. Es gab ja mal eine Initiative von verschiedenen Seiten, auch von politischer Seite, einen direkt gewählten Seniorenbeirat zu fordern, ähnlich wie den Ausländerbeirat. Nur, (...) nach der Gemeindeordnung ist der Rat zuständig und nur der Rat entscheidet. Ein direkt gewählter Seniorenbeirat würde zwar eine gewisse demokratische Legitimation bekommen, hat aber nach den Buchstaben der Gemeindeordnung keine Rechte und der Rat kann auch keine Rechte auf diesen Beirat übertragen (oder diesen Ausschuß - wie auch immer wir das nennen wollen). D.h. wir gaukeln dem Wähler dann etwas vor, (...) weil bestimmte Entscheidungen eben nicht selbst getroffen werden können. Ich glaube es ist richtiger den umgekehrten Weg zu gehen, indem man sagt: Innerhalb des Rates muß für die Interessenlage von alten Menschen nicht nur ein offenes Ohr sein, sondern wir müssen auch diesen Seniorenbeirat, den wir haben, (ob nun direkt gewählt oder nicht lassen wir mal dahingestellt, darüber kann man sich noch unterhalten) insofern aufwerten, daß er im Vorfeld auch informiert wird. Ich glaube in vielen Bereichen von Kommunalpolitik in Schwerte hat die Bevölkerung insgesamt, unabhängig von der Frage des Alters, den Eindruck: Wir wissen nicht, wie die im Rathaus zu ihren Entscheidungen kommen, die machen das nicht immer transparent, die beschließen dann irgendwas und das haben wir dann zu schlucken.

(Ich schlage vor) den umgekehrten Weg zu gehen: Wir sagen, das und das ist unsere Überlegung und reden mit den wichtigen gesellschaftlich relevanten Gruppen und sagen, das ist unsere Auffassung und hören, was die Gegenmeinung ist und was man noch an zusätzlichen Ideen hat und tragen das zurück in die Politik und debattieren darüber, bevor es zu einer Abstimmung kommt. (...) Dann kriegen wir Transparenz und ich glaube, dann sind auch die Bürger eher bereit, sich für das Gemeinwesen zu engagieren und zu sagen, jetzt verstehen wir auch, warum das so schwierig ist, die Entscheidung A oder B dann zu treffen.

AS: Ältere Menschen sind ja nicht nur hilfsbedürftig, sondern gerade die sogenannten aktiven Senioren würden gerne ihre Erfahrung einbringen.

BM B.: Also, ich weiß von meiner eigenen Partei oder meiner eigenen Fraktion, da sind auch sehr aktive Senioren dabei. Wenn ich das also sehe, sind wir eine Fraktion, die auch eher in die Altersgruppe der älteren Menschen gehört. (...) Selbst bei der SPD kann man nicht sagen, das ist eine junge Fraktion. (...) Ich könnte mir vorstellen, daß im Rahmen der Ausschußbesetzungen der eine oder andere Ältere als sachkundiger Bürger aufgenommen wird.

AS: Aber die werden ja von den Fraktionen vorgeschlagen.

BM B: Eben, das ist ja das Problem. Also die sachkundigen Bürger sind ja eigentlich, der Name sagt es, sachkundig, aber im Regelfall sind es Parteileute, (...) die sich über viele Jahre in der Partei engagiert haben. (...) Wenn man das etwas öffnet und sagt, wir gucken da jetzt wirklich mal nach einem sogenannten Sachkundigen, den wir dabei haben wollen, dann haben natürlich die Parteien Angst, (...) was die Mehrheitsverhältnisse angeht. Wenn ich jetzt jemanden nehme, der zwar über eine gewisse Sachkunde verfügt, in der Sache selbst, der aber einem politisch nicht unbedingt genehm ist, kippe ich damit Mehrheiten, und das ist eben das Problem.

AS: Sachkundige Bürger haben Stimmrecht!

BM B.: Sachkundige Bürger haben Stimmrecht, genau. Und das ist dieser Widerspruch. Natürlich sind wir ein Parteienstaat und machen wir uns da doch nichts vor. Die Parteien bestimmen in vielen Dingen mit. Aber die Gemeindeordnung läßt nur beschränkte Möglichkeiten zu. Aber es gibt ein anderes Instrument, mit dem man sich vielleicht noch mal intensiver auseinandersetzen sollte: Das ist der sachkundige Einwohner, der hat kein Stimmrecht, den kann man beratend mit hinzuziehen. Und daß man da sagt, in einem bestimmten Fachausschuß, wo ein bestimmtes Problem ist, laden wir uns also auch solche sachkundigen Einwohner hinzu, die zwar jetzt kein Stimmrecht haben, aber die ihre Fachkunde einbringen.

(...) In meinem eigenen Ausschuß, im Jugendhilfe- und Sozialausschuß, da habe ich es immer so gehalten, daß dann, wenn von dritter Seite ein Antrag gestellt wurde, ich dem Antragsteller Rederecht eingeräumt habe und dieser seine Dinge dann vorstellen konnte. Und ich könnte mir vorstellen, daß auch in anderen Ausschüssen das verstärkt gemacht wird, um da auch bestimmte Anliegen in ein Papier einzubringen.

AS: Sie sind ja nun Herausgeber der AS geworden. Wir haben unser Impressum geändert, denn jetzt ist ja nicht mehr der Stadtdirektor sondern der Bürgermeister der Herausgeber, und damit Sie nicht meinen, AS wird nur von alten Menschen gelesen: wir wissen, daß auch viele Jüngere die Zeitung wegen der historischen Artikel sammeln.

Und dann arbeiten wir ja auch mit jungen Menschen zusammen. Kennen Sie das Generationenprojekt zusammen mit Schülern der Eintrachthauptschule und der Realschule am Bohlgarten, die die AS ins Internet stellen? Das ist eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit und das finden wir einmalig.

BM B.: Das ist genau richtig. Das sind so Ansätze, die wir auch in der Zukunft brauchen, wo generationenübergreifend gearbeitet wird. Die jetzt Politik immer nur begreifen unter dem Aspekt entweder Geschlecht oder Alter oder Interessengruppen, da kommen wir nicht weiter. Damit werden wir eigentlich letztendlich nichts anderes tun, als die Egoismen zu stärken. Weil jeder nur sein kleines eigenes Interesse hat, was er versucht durchzusetzen, ohne auch mal auf die Interessen der Anderen zu sehen. Und ein Gemeinwesen wie Schwerte funktioniert nur, indem ich die verschiedenen widerstreitenden Interessen zusammenzuführen versuche.

Und was die ältere Generation angeht. Was sie da mit den Schülern zusammen machen, also: Sie lernen was dabei über’s Internet, wenn sie da auch mal surfen und mit dem PC umgehen wollen - ihre Generation hat es nun mal nicht gelernt. Ich hatte ja auch Schwierigkeiten, aber so ein 12-jähriger, der wird ja inzwischen damit groß und die können besser mit dem Computer und dem Internet umgehen als unsereiner. Aber man hat auch bestimmte Dinge, die die Schüler von Ihnen lernen können.

AS: Die lernen den Umgang mit ältere Menschen und Rücksichtnahme.

BM B.: Genau, und das ist ja auch ganz wichtig, ja ja ein bißchen Geduld.

Wo ich mal ein gewisses Nachholbedürfnis sehe, (...) das betrifft die Menschen, die in den Altenheimen wohnen. Wie können wir die aus der Isolation holen, so daß sie auch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

Also ich habe das jetzt selbst versucht, indem ich gesagt habe, es wäre auch mal gut, wenn die Bürgermeisterkandidaten sich in den Altenheimen vorstellen können. Da wurde uns dann gesagt, das wollen wir nicht, das ist Parteipolitik. (...)

Wir haben das Haus Schwerte, das Johannes-Mergenthaler-Haus in der Liethstraße, das Klara-Röhrscheidt-Haus und das AWO-Heim. Da leben viele Menschen, aber vieles kriegen die irgendwann nicht mehr mit, weil wir nicht dahingehen und weil sie selbst möglicherweise ortsgebunden sind wegen Krankheit etc.

AS: In einem der ersten Hefte der AS habe wir vorgeschlagen, man könnte ja einige Kurse der VHS in den Altenheimen abhalten; denn den jüngeren Menschen ist der Weg dorthin zuzumuten, aber den Älteren ist es z.B. schon zu weit, von der Liethstr. zum City-Zentrum zu gehen.

BM B.: Ja, und da ist so ein Punkt, wo ich denke, da könnte man ansetzen, um einfach da auch was zu tun. Ich gestehe wirklich, was in den Altenheimen los ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Auch weil man mich nicht da haben wollte. (...) Da besteht auch noch Nachholbedarf. Aber jetzt hab ich eine andere Funktion und vielleicht bin ich jetzt ein gern gesehener Gast.

AS: Wir wollen noch mal auf die AS zurückkommen. Wissen Sie, daß die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster die AS für die Nordrhein-Westfälische Bibliographie auswertet?

BM B.: Nein.

AS: Das ist doch sehr schön für Schwerte, wir würden sagen, die AS ist ein guter Werbeträger für die Stadt Schwerte.

BM B: Auch ein guter Werbeträger, wir haben viele Werbeträger.

Also ich kenne die Anfänge der AS, da war ich ja auch schon im Rat, wo das als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme losging. (...) Man mußte mit einfachen Mitteln versuchen, diese Zeitung zu machen. Und ich denke, die vielen Jahre, die es die AS jetzt schon gibt, sind eigentlich ein Beweis dafür, daß wir da auch ein Medium haben, wo sie noch engagiert etwas tun können als Redakteure, aber wo wir eigentlich auch als Stadt bestimmte Dinge transportieren können. Und deswegen denke ich, ist die AS ein sehr wichtiges Medium, Printmedium, in Schwerte, um die Vielzahl der Möglichkeiten unserer Stadt auch darzustellen.

Ich möchte auf die AS nicht verzichten. Ich kriege sie als Ratsmitglied ins Fach gelegt und lese sie zwar nicht immer ganz durch, aber zumindest blättere ich sie durch und an der einen oder anderen Stelle bleibe ich hängen. Ich gestehe, die historischen Dinge lese ich, um einfach ein bißchen was davon mitzukriegen - das macht Herr Stirnberg aus meiner Sicht sehr gut.

AS: Im März 2000 erscheint die 50. Ausgabe.

BM B.: Da mach‘ ich ein Grußwort, das verspreche ich ihnen jetzt schon oder eine Abhandlung, möglicherweise über die Geschichte der AS.

AS: Werden Sie uns auch weiterhin unterstützen?

BM B.: Kein Problem. Der wievielte Jahrgang ist das jetzt? Der neunte?

AS: Der 12. Jahrgang.

BM B.: Der 12. Jahrgang!

AS: So, das waren schon unsere Punkte, mit denen wir Sie belästigen wollten.

BM B.: Sie haben mich nicht belästigt. Es macht mir ja auch Spaß.

AS: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch mit Bürgermeister Böckelühr führten Brigitte Blosen und Wilma Frohne.