Schwerter Eisenbahngeschichte
Der Bahnhof Westhofen 1869 - 1918

Klaus H. Huhn

Bahnhof Westhofen um 1906 Bei der Trassenplanung der neu zu errichtenden Strecke Kabel - Schwerte - Holzwickede 1867 der Bergisch-Märkischen Eisenbahn Gesellschaft war eine Haltestation für die Gemeinde Westhofen noch nicht vorgesehen.

Erst ab 1869 war die Ortschaft für den Personen- und Güterverkehr erreichbar. Ein zwingender Grund für die ungünstige Lage des nach Westen liegenden Bahnhofsgebäudes, außerhalb von Westhofen, ist in der damaligen Bevölkerung zu suchen. Die Einwohner befürchteten eine erhebliche Lärmbelästigung durch die an- und abfahrenden Dampfmaschinen in ihrer Ortschaft.

Der anfangs im kleineren Umfang von der Familie Eickel betriebene Steinbruch erhielt mit Beginn des Bahnbaues 1864 einen bedeutenden Aufschwung. Bei dem Mangel an Steinbrucharbeitern schnellten die Löhne der Arbeiter um das Doppelte in die Höhe. Auch die Gemeinde Westhofen profitierte durch den Anschluß an die Eisenbahn, immer mehr Gewerbebetriebe siedelten sich auch dort an. Die Einwohnerzahlen des Amtes Westhofen beliefen sich im Jahre 1853 auf 3.731 Einwohner, 1889 auf 5.506 und 1907 bereits auf 7.712 Bürger und Bürgerinnen.

Bereits um die Jahrhundertwende sollte die Erweiterung des Bahnhofs in Angriff genommen werden. Vor allem die Wegeverhältnisse rund um den Bahnhof erzwangen zu dieser Zeit eine Nachbesserung. Die Eisenbahnverwaltung plante eine Überführung über den Bahnhof gegen den die Anlieger protestierten. Die Witwe Weihberg, deren Gasthof den Fremdenverkehr zur Hohensyburg aufnahm, sah sich ebenso beeinträchtigt wie der Fabrikant Max Lohmann, welchem der wunderschöne Rundblick über das Ruhrtal gestört worden wäre. Lohmann mobilisierte die Einwohnerschaft von Westhofen und drohte mit dem Abzug seines Unternehmens nach Hagen. Schließlich hatte die Eisenbahnverwaltung ein Einsehen und stoppte die Pläne zu der geplanten Überführung. (W.M. Reininghaus S. 412 Schwerte1397 bis1997)

Auch das Hochwasser der Ruhr zeigte sich beim Bau der Schienentrassen in den ersten Jahren als unberechenbar. Die neu errichtete Eisenbahnbrücke unterhalb der Hohensyburg wurde am 25. November 1890 durch das steigende Wasser und die Strömungsverhältnisse der Flüsse Ruhr und Lenne derart belastet, daß sie nach dem Passieren des Schnellzuges Köln - Berlin teilweise zusammenstürzte. Der gesamte Eisenbahnverkehr in Richtung Westen war dadurch sehr gestört und konnte nur mühsam auf Umwegen über Dortmund aufrecht erhalten werden.

Ein Eisenbahngegner muß sich wohl durch die fahrenden Züge gestört gefühlt haben. So ist überliefert, daß am 09. Juni 1906 ein Attentat auf den Schnellzug Hagen - Schwerte, unweit der Blockstelle Syburg, mit einem Stein verübt wurde. Der in einem Abteil sitzende Hermann Habe aus Hagen war am Kopf getroffen und durch Glassplitter im Gesicht so schwer verletzt worden, daß er sich in das Krankenhaus nach Schwerte begeben mußte.

Bahnhof Westhofen um 1910 Durch die Gleiserweiterung, ab Bahnhof in Fahrtrichtung Schwerte, im Oktober 1906 rückte die Planung einer Überführung in Höhe der Villa Max Lohmann und der Verlegung des dritten und vierten Gleises, bis zur Blockstelle Steinhausen bei Wandhofen, in das öffentliche Interesse. Diese beiden Gleiskörper sollten in der großen Kurve direkt bei Steinhausen einmünden, welche die aus Schwerte kommenden Güterzüge passieren mußten. Somit wären auch die beiden anderen Bahntrassen für den jährlich ansteigenden Personenverkehr frei. Dies war für die Bevölkerung der Gemeinde sehr wünschenswert, da sich die häufig anfahrenden Güterzüge auf offener Strecke als sehr störend erwiesen.
Gleichzeitig waren auch die fünf Bahnschranken in diesem Streckenabschnitt für die Fuhrwerke sehr hinderlich. Die Verwaltung sah aus diesem Grund einen Wegfall dieser Übergänge im Folgenden vor: der Wegfall des Überganges am Gründchen, ein Verbindungsweg zwischen Wannenweg und der Straßenbahnüberquerung an der Rettelmühle, sowie die Fahrwege Stadtland, Bruch, der Chaussee nach Schwerte und den Übergang am Bahnhofsgebäude nach Kabel. Gleichzeitig sollten der gesamte Bahnkörper angehoben und die Voraussetzung für Straßenüberführungen geschaffen werden.

Wegen der nun erkennbaren Steigungsverhältnisse legten die Landwirte, welche südlich der Bahntrasse ihre Besitzungen liegen hatten, schwersten Protest ein.

Am Schwierigsten war es, eine Regelung für den Übergang an der Straße nach Schwerte zu finden, da hier die Elektrische (Straßenbahn) den Schienenweg der Eisenbahn kreuzte. Letztendlich entschied man sich die Chaussee in ihrem derzeitigen Zustand zu belassen und für die Fußgänger einen Tunnel zu bauen. Bis dieses geplante Projekt aber zur endgültigen Vollendung gelangen wird, so schrieb die Schwerter Zeitung am 15. Okt. 1906, fließt noch viel Wasser die Ruhr herunter.

Auch das Verbrechen profitierte vom Fortschritt der Eisenbahn. Wilddiebe aus Herdecke benutzten die Bahn, um ihr Unwesen in Westhofen zu treiben. Sie konnten im Mai 1912 unweit des Bahnhofsgeländes festgenommen werden.

Um den großen Ausflugsverkehr zur Hohensyburg in den Sommermonaten bewältigen zu können, sah sich die Elberfelder Direktion gezwungen zwei lange Bahnsteige mit Überdachung und Unterführung zu bauen. Parallel dazu wurde ein zweiter Fußgängertunnel für die Fahrgäste aus Garenfeld und Ergste zum Stationsgebäude verlegt. Der Ladeweg wurde kanalisiert und gepflastert, da er gleichzeitig Zufahrtsweg zur Hohensyburg war.

Die Streitfrage der Beleuchtung am Wegeübergang der Villa Lohmann wurde gelöst. Die Direktion zahlte eine Abfindung über 1.200,-- Mark. Die Stadt sorgte noch im selben Monat für das Aufstellen mehrerer Lampen und trug auch die Kosten für das elektrische Licht, welches die Straßenbahngesellschaft lieferte.
Am 16.01.1913 äußerte die Gemeinde, vertreten durch den Stadtverordneten Lohmann, den Wunsch an die Eisenbahndirektion, die geplante Strecke, Schwerte - Letmathe über Westhofener Gebiet zu führen. ( vgl. AS Nr. 46)
Zwischen dem 15. und 20. Februar waren die Unterführungen am - Gründchen - im - Nattland (Bruchstraße / Wasserstraße) und an der Ruhrstraße mit den erforderlichen Seitenflügeln fertiggestellt. Die Schwerter Zeitung rügt am 18. Februar die Höherlegung der Brücke an der Weiche des östlichen Auslaufes am Bahnhof (diese Brücke befand sich genau zwischen dem Bahnhof und der heutigen Tankstelle). Wegen des steilen Steigungswinkels hatten Pferdefuhrwerke hier erhebliche Probleme die Brücke zu überqueren. Auch soll es an dieser Stelle Zornesausbrüche der Automobilbesitzer gegeben haben. Daß dies auch anders geht, so schreibt die Zeitung weiter, zeigen doch die anderen beiden oben erwähnten Unterführungen.

Der Güterumschlag für Westhofen betrug bereits 76.876 Tonnen im Jahre 1912. Die Errichtung der neuen Gleiserweiterung für den Güterverkehr wurde somit immer zwingender. Anfang Januar 1913 waren die Neubauten an der Strecke Westhofen - Hengstey mit einem Kostenaufwand über 5.000.000 Mark teilweise fertig gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die Brücke über die Ruhr, unterhalb der Hohensyburg, welche wegen Verlegung des zweiten und des dritten Gleises verbreitert und verlängert werden mußte, von der Firma Jucho fertig montiert. Aus dem selben Grund mußte auch das Mündungsbett der Lenne an dieser Stelle verlegt werden.

Nachdem die Teilstrecke Schwerte - Westhofen schon seit Ende 1912 in Betrieb genommen war, wurde am 01. Juli das zweite Gleis auf der Strecke Westhofen - Hengstey und Kabel, welches auch vorher schon provisorisch benutzt worden war, dem offiziellen Verkehr übergeben.

Der Bau des zweiten und dritten Gleises zwischen Westhofen und Kabel trieb die vorher kalkulierten und genehmigten Kosten noch einmal derartig in die Höhe, daß im März / April 1915 noch einmal 320.000 Mark nachträglich für den dritten und vierten Bauabschnitt beantragt werden mußten. Der Grund dieser Kostenexplosion ist in folgenden Gründen zu suchen:
Auf der einen Seite standen hier höhere Grunderwerbskosten für das zweite Gütergleis bis Kabel sowie den sehr schlechten Bauuntergrund für zehn Brücken und Unterführungen. Des weiteren wurde es zur Vermeidung von Betriebsgefahren notwendig einen Bahnübergang schienenfrei zu überführen. Die gesamten Baukosten erreichten somit eine Summe über 4.200.000 Mark. Durch Inbetriebnahme des dritten und vierten Gleises konnte nun der Güterverkehr von Schwerte bis Hagen und Herdecke vollständig vom Personenverkehr getrennt werden.

In Folge der Gleisverbreiterung im Bahnhofsbereich Westhofen mußte zwangsläufig ein neues Stellwerk geplant werden. Mit dem Bau dieses Gebäudes an der Nordseite des Bahnkörpers, in der Flur Aderbach, ist vor dem 20. Juni 1915 bereits begonnen worden.

Von einem Husarenstreich berichtet die Schwerter Zeitung am 19 .Juni 1914:
Vom Mittwoch, dem 01 Juli an, werden der um 10.19 Uhr und Nachmittags ab Westhofen fahrende Zug 390 nach Hagen Hbf. bis zu 17 Minuten früher abfahren. Westhofen / Westf. ab 10.01 Uhr - Hagen an 10.15 Uhr. Am nächsten Tag stellte die Bahnverwaltung in Westhofen fest, daß der Zug mit 50 Minuten Verspätung in Hagen Hbf. ankam. Der Grund bestand darin, daß ein D-Zug vorüber gelassen werden mußte. Dadurch verpaßten die Umsteiger in Hagen ihre Anschlußzüge. Verschiedene Reisende erreichten ihre Ziele mit bis zu dreistündiger Verspätung.
Aus diesem Grund wandte sich Max Lohmann an die Direktion mit der Bitte, die Züge wieder nach dem alten Fahrplan fahren zu lassen, da der neue auch dem Ausflugsverkehr zur Hohensyburg schaden würde. Diesem Antrag wurde am 20. Juli stattgegeben. Die Welt der Eisenbahn in Westhofen war somit wieder in Ordnung.

Ein kleiner Unfall ereignete sich am 14.06.1916 unweit des Westhofener Bahnhofs. Der um 06.27 eintreffende Triebwagen, welcher um 06.48 nach Schwerte zurückkehren sollte, kam beim Rangieren auf ein anderes Gleis in der Weiche am Aderbach zur Entgleisung. Vom BW-Schwerte mußte eigens ein Gerätewagen zur Unfallstelle gesandt werden. Auf diese Weise konnte der verunglückte Wagen bereits um 08.00 Uhr die Rückfahrt nach Scherte antreten. Der Materialschaden an dem Fahrzeug war gering.

Am 03. Dezember 1916 wurde im Bahnhof Westhofen die erste öffentliche selbstwählende Fernsprechanlage eröffnet. Ortsgespräche sollten 10 Pfennig und Ferngespräche in der 2. Zone 30 Pfennig kosten. Den vielen Besuchern, die im Sommer die Hohensyburg besichtigten, und dem Publikum des geschäftlichen Güterverkehrs, war diese Anlage willkommen.

Überfahren und getötet wurde am 04.10.1917 ein mit Bahnbauarbeiten beschäftigter französischer Kriegsgefangener. Der etwa 40 Jahre alte, verheiratete Mann wollte beim Überschreiten der Gleise einem aus Richtung Schwerte kommenden D-Zug ausweichen und übersah dabei einen aus Hagen kommenden Urlauberzug. Er wurde eine Strecke weit mit geschleift. Eine würdige Beerdigung fand auf dem Westhofener Friedhof statt.
Am 15. März 1918 wurde ein Eisenbahnanschluß für die Firma Borgräfe und das Kreiswasserwerk in Westhofen geplant. Dieser Anschluß sollte durch eine Verlängerungsschleife der Stahlwerke Brünnighaus erfolgen.

So war in dieser Zeit die Gestaltung und der Ausbau des Bahnhof Westhofen in der Art, wie sie teilweise heute noch existiert, abgeschlossen.



Mit freundlicher Unterstützung der Stadtbücherei und des Stadtarchiv Schwerte