Aktive Senioren

Eins, zwei, drei im Sauseschritt
rennt die Zeit, der Mensch muß mit.
Zwei alte Freunde auf der Gartenbank hocken,
mit Janker an und Schafwollsocken.

Wie aufregend scheint ihnen die moderne Zeit.
Die Elektronik fasziniert selbst gemütliche Leut'.
Den Überblick möchten die Herren nicht verlieren,
und wollen etwas Neues ausprobieren.
Also faßt man den Entschluß,
daß man noch was lernen muß.

Nach Gehader mit den angetrauten Weiblichkeiten,
die unwillig um den Sinn der Sache streiten,
sind die beiden Freunde schließlich losgezogen
und haben das Ersparte vom Konto abgehoben.
Voll guten Mutes sind sie dann
zum großen Warenhaus gefahr'n.

Was es dort alles gibt, es ist wie ein Wunder.
Doch vorbei geht's an all dem Plunder.
Gar eilig sie durch die Regalgänge gehen,
um endlich staunend bei den Computern zu stehen.
So ein Ding, das haben sie beschlossen,
macht uns zu modernen Zeitgenossen.

Ein gewiefter Verkäufer hat sogleich gecheckt,
daß in diesen Hosentaschen Geld drinsteckt.
Galant wird den Kunden smart erklärt:
"So ein Gerät ist Goldes Wert!
Meine Herren, dies ist der Monitor,
da setzen Sie sich jetzt erst mal vor!"

Rasch ist ein Brett voller Tasten am Tisch abgelegt
und zu einem Metallkasten ein Kabel verlegt.
Das wäre der Rechner, der Maschine Gehirn,
da perlt den Herren Schweiß auf der Stirn.

Und dann redet der auch noch von einer Maus,
zwei Gesichter drücken Verwunderung aus.
Sollte es hier wirklich Tiere geben
die in dieser ganzen Elektronik leben?

Und staunend erfahren sie dann,
der Drucker ist gar kein Zeitungsmann.
Nein, ein Ding aus Kunststoff mit zwei Schlitzen,
die Augen des Verkäufers blitzen.
"Das ist die Hardware, liebe Leut',
wie man die erweitert, erzähl ich gleich heut'."

Lautsprecher mit Stereo oder Dolby Surround
liefern den absolut perfekten Sound,
wenn man mit dem Joystick UFOs erlegt,
oder Monster in tausend Teile zerschlägt.
"Aber so etwas ist wohl eher Kinderkram,
In Ihrem Alter fängt man doch was Vernünftiges an!"

Mit dem Scanner kann der Apparillo lesen,
dabei ist der noch nie in einer Schule gewesen.
Problemlos merkt er sich alles ganz genau.
Den Kunden wird's so langsam flau.
Um all das Fantastische zu beweisen,
müht der Verkäufer sich, etwas einzuspeisen.
"Haben Sie Fotos Ihrer lieben Frauen?"
Zwei wohlbekannte Gesichter aus dem Bildschirm schauen.

Dieser Gag kommt jedoch nicht so gut an,
was der erfahrene Berater rasch erkennen kann.
Da beide Kunden schon leicht verwirrt,
wird' s Zeit, daß er ihnen die Software erklärt.
"Auf dieser CD, da ist das Programm,
das schauen Sie sich am Besten zu Hause an".

Nach der Gebrauchsanweisung fragt jetzt der eine.
Nein, so direkt gibt's dafür grad keine,
aber alles was das Herz begehrt,
man auch in dem Programm erfährt.
Wenn man Hilfe braucht, klickt man Hilfe an,
wo man unter einem Stichwort alles finden kann.
"Außerdem haben Sie doch bestimmt einen Bekannten,
oder einen unter den Verwandten,
der so etwas schon hat und auch noch kann,
den sprechen Sie am Besten gleich mal an!
So haben Sie mit allem überhaupt kein Problem!
Vertrauen Sie mir, Sie werden schon sehen!"

Auf einen Transportwagen gar geschwind,
Kartons samt Inhalt gestapelt sind.
"Sie haben eine gute Wahl getroffen
und können bestimmt auf ihre Enkel hoffen.
So eine Anschaffung ist zeitgemäß und wird sich lohnen,
verbindet problemlos die Generationen."

An der Kasse ergibt sich jetzt der Preis,
unseren Herren wird es kalt und heiß.
Jedoch gibt es jetzt kein Zurück
und gekauft ist nun das gute Stück.

Stolz schiebt man damit heraus aus dem Laden
und packt es in den Kofferraum vom Wagen.
Watteweich und vorsichtig fahren sie heim,
tragen es wie rohe Eier in die gute Stube rein.
Die Gattinnen haben sich zusammen getan
und schauen recht skeptisch das Getue sich an.
Gut, daß sie den Preis noch nicht gehört,
der eheliche Frieden wäre restlos zerstört.

"Und damit könnt ihr umgehen?" ertönt die Frage.
"Jetzt noch nicht. Das dauert ein paar Tage.
Der Herr in dem Laden, man stelle sich vor,
brachte eure Köpfe auf den Monitor!"
Da sind die Damen recht angerührt
und Wärme wird in der Brust verspürt.
"Unsere Gesichter, ja schau einmal an,
was so ein Computer alles kann".

Die Geschichte die folgt, sie ist noch lang.
Mit Erwähnung der Kosten nimmt sie ihren Gang.
Die Sache wird außerdem noch erschwert,
weil zunächst überhaupt nichts funktioniert.
Enkel und Kinder kommen zum Proben,
diese Neuanschaffung müssen sie loben.
Jeder hat spannende Software für das Gerät,
es knallt, pfeift und heult von früh bis spät.
Der Hausfrau versagen schon bald die Nerven,
sie will einen Kochtopf in den Monitor werfen.

So einigt man sich, die Lautsprecher werden abgeklemmt
und als Nisthilfen im Kirschbaum aufgehängt.
Doch das soll noch nicht alles sein:
die Gattinnen fühlen sich vernachlässigt und allein.
Auch der Garten und das Haus gehören gepflegt.
Grimmig wird den Ehemännern nahe gelegt:
"Den Computer wünschen wir ins Grab,
und seid ihr nicht willig, so hauen wir ab!"

So schwer auch das Herz, jetzt wird nachgegeben.
Mann kann zwar ohne High Tech,
aber doch nicht ohne die Frauen leben.

Birgit Meyer