Internationales Jahr der Senioren 1999
Gedanken - Fragen - Anregungen
Teil I Ein Teufelskreis

Das Jahr 1999 ist von der UNO zum "Internationalen Jahr der Senioren" erklärt worden.

Was bedeutet das für uns, die wir zu diesem Personenkreis gehören?

In jedem Falle tut es gut, daß man in einer Welt der Ichbezogenheit nunmehr von höherer Warte ein Augenmerk auf die ältere Generation gerichtet hat.

Das läßt die Hoffnung aufkommen, daß man über die Grenzen unseres Landes hinaus sich nicht nur Gedanken macht über die Menschen, die nach einem oft entbehrungsreichen Leben in ihren wie man so schön sagt dritten Lebensabschnitt eingetreten sind, sondern, daß man allem Anschein nach auch etwas für sie unternehmen will.

Eine solch grenzüberschreitende Erklärung sollten wir nicht einfach zur Kenntnis nehmen, sondern sie als eine ehrliche Bekundung vieler Menschen in vielen Staaten und als eine Chance für die ältere Generation betrachten und darauf entsprechend reagieren.

Mit anderen Worten gesagt: Wir dürfen nicht tatenlos zusehen und abwarten, was man aus diesem "Internationalen Jahr der Senioren" macht, sondern wir müssen mit den uns gegebenen Möglichkeiten einen eigenen Beitrag dazu einbringen. Insbesondere im Hinblick auf die Europäische Vereinigung. Anderenfalls erscheint mir eine spätere Kritik aus unseren Reihen sehr fragwürdig.

Besinnen wir uns auf die uns verbliebenen Kräfte und mobilisieren sie zu einem selbstbewußten Agieren. Gelegenheiten dazu bieten sich in vielen Bereichen des täglichen Lebens.

So wollen wir zum Beispiel in unserer "AS" verstärkt Probleme und Sorgen der älteren Generation aufzeigen und mit Daten und Fakten untermauern. Die "AS" wird von vielen Menschen gelesen, auch von Personen aus dem politischen Leben. Warum sollte davon nicht der eine oder andere sich dieser Angelegenheiten annehmen.

Mit Sorgen empfinde ich seit Jahren das allgemein wachsende Anspruchsdenken, den ständigen Wettlauf zwischen Löhnen und Preisen und als logische Folge die steigenden Kosten in vielen Bereichen.

Zum Beispiel im Gesundheitswesen.

Die allgemeine medizinische Versorgung ist schon sehr teuer, wird man aber erst einmal vom Kranken zum Pflegefall, kann die persönliche finanzielle Belastung eine Situation heraufbeschwören, die sowohl für die ältere als auch die jüngere Generation zu einer kaum tragbaren Bürde wird.

Da ist z.B. ein Ehepaar im Alter von etwa 40 Jahren mit drei unmündigen Kindern. Die Mutter erkrankt plötzlich an schwerster multipler Sklerose und muß ins Krankenhaus.

Ihr Zustand verschlechtert sich rasend. Bald kann sie nicht mehr gehen, wenig später nicht mehr sprechen, kurz darauf muß sie künstlich ernährt und Tag und Nacht künstlich beatmet werden. Sie wird zum Pflegefall und kann in der Klinik nicht mehr gehalten werden. Nach vielen Bemühungen hat der Ehemann Glück, sie in einem Altenheim zur Pflege unterzubringen.

Trotz erheblicher monatlicher Zuzahlungen sammelte sich eine enorme Schuldenlast an. Denn eine solche Intensivbehandlung ist teuer und kostet nach meinen Informationen rd. DM 1.000, täglich, wovon die Kasse etwa nur ein Drittel trägt.

Als die Kranke nach vier Jahren endlich von ihren Leiden erlöst wird, hat die junge Familie außer dem großen menschlichen Verlust eine finanzielle Last von rd. DM 120.000, an das Sozialamt abzutragen. Ein erdrückender Ausblick in die Zukunft, denn notfalls müssen auch die Kinder dafür aufkommen so will es das Gesetz.

Ein weiteres Beispiel zeigt, daß auch das Älterwerden trotz lange währender Gesundheit und der mittlerweile wirksamen Pflegeversicherung, zunehmend Sorgen bereitet.

Ein älteres Ehepaar im Alter von 74 und 77 Jahren bewohnt ein kleines Eigenheim. Die Ehefrau erkrankt und erleidet einen Schlaganfall. Sie muß in eine Klinik und wird bald zum Pflegefall, sodaß sie nicht im Krankenhaus bleiben kann. Der Ehemann ist aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, sie daheim zu pflegen und bemüht sich um einen Platz im Pflegeheim. Kostenbewußt fragt er bei vielen Heimen in der hiesigen Umgebung an und es offenbart sich ihm Anfang 1999 folgende Kosten-Situation:

Monatlicher Aufwand in DM Heim 1: Heim 2: Heim 3: Heim 4: Heim 5: Heim 6:
Pflegestufe 2=

5.485,-

4.372,-

4.607,-

5.320,-

5.015,-

5.533,-

./. Pfl. Vers.

2.500,-

2.500,-

2.500,-

2.500,-

2.500,-

2.500,-

./. Pfl. Wohngeld

903,-

180,-

690,-

= Eigenleistung

2.082,-

1.692,-

1.417,-

Pflegestufe 3=

6.982,-

5.777,-

5.951,-

5.320,-

6.335,-

7.053,-

./. Pfl. Vers.

2.800,-

2.800,-

2.800,-

2.800,-

2.800,-

2.800,-

./. Pfl. Wohngeld

903,-

180,-

690,-

= Eigenleistung

3.279,-

2.797,-

2.461,-



Monatliche Heim und Pflegekosten in dieser Höhe sind mir unbegreiflich.

Es würde mich einmal interessieren, wieviele Rentner monatliche Eigenleistungen in der zuvor genannten Größe aufbringen können.

Ich kann es nicht. Und viele Bürger der älteren Generation werden auch nicht dazu in der Lage sein. Insbesondere, wenn sie arbeitslos gewesen sind oder ein schwieriger Existenz Aufbau es ihnen nicht immer gestattete, freiwillige Rentenversicherungsbeiträge in der notwendigen Höhe zu entrichten, weil das Geld dringend fürs Geschäft oder die Wohnung und den Lebensunterhalt benötigt wurde. Es muß an dieser Stelle auch daran erinnert werden, daß es in unserem Lande etwa bis zur Mitte dieses Jahrhunderts allgemein üblich war, daß nur ein Verdiener für die Familie sorgte und das war der Ehemann. Der Platz für die Frau war am häuslichen Herd und bei der Betreuung der Kinder. Dadurch ist bei der Altersversorgung älterer Frauen heute ein nicht unbedeutendes Problem vorhanden.

Wie dem auch sei: Heim und Pflegekosten müssen gezahlt werden und notfalls wird das Sozialamt in die Pflicht genommen. Das wiederum versucht, sich nach dem Tage X bei den Kindern schadlos zu halten.

Ist von denen nichts zu holen, trägt es die Allgemeinheit mit ihren Steuern.

So könnte man mit Beispielen fortfahren, doch immer wieder schließt sich infolge steigender Kosten ein Teufelskreis, der uns und die nachfolgende Generation in einem unerträglich werdenden Ausmaß belastet.

Es ist höchste Zeit, daß wir uns vor Augen halten, wohin die oft schon in jungen Jahren entstehenden übersteigerten Ansprüche auf persönliche Vorteile führen. Sie müssen doch zwangsläufig das Leben in allen Bereichen, in Gesundheit und Krankheit, verteuern und erhaltene Lohn und Rentenerhöhungen wieder aufzehren.

Dieser Trend bereitet uns Älteren große Sorgen. Nicht allein um uns selbst, sondern auch um unsere Nachkommen, denen eventuell nicht erfüllbare Zahlungs Verpflichtungen aus Krankheit und Pflege aufgebürdet werden, was wir nicht wollen. Ein verteufelter Kreislauf der Kosten!

Man kann nicht oft genug in Erinnerung rufen, daß die wahre Kunst des Lebens nicht darin besteht, möglichst viel Geld zu erhalten und auszugeben, sondern, mit Wenigem größtmöglichen Erfolg zu erzielen und die Bedürfnisse zu befriedigen. Allerdings muß man bereit sein, dafür sich selbst mit Herz und Verstand einzubringen. Doch diese Fähigkeit scheint leider vielen abhanden gekommen zu sein, was wohl die Wurzel allen Übels ist.

Gewiß, es wären zur Behebung mancher Mißstände einige Gesetze und Durchführungsbestimmungen zu ändern und der Entwicklung anzupassen. Doch wenn Politiker wirklich etwas verbessern wollen, müssen sie davon auch sinnvoll Gebrauch machen.

Wir müssen endlich damit beginnen auf allen behördlichen und politischen, beruflichen und privaten Ebenen umzudenken, die eigenen Ansprüche zurückzuschrauben, selbst etwas zu unternehmen anstatt es immer nur von anderen oder vom Staat zu erwarten.

Beweisen wir echte soziale Verantwortung, sonst verhärten unsere Herzen, die Kluft zwischen arm und reich wird größer und alles wird langsam aber sicher unerträglich. Ein älterer Mensch ist dafür ganz besonders empfindlich. Man suche die sich leider ausbreitende Altersarmut nicht allein im finanziellen Bereich die Psyche leidet mehr, als mancher ahnt.

Wer unter uns mag so etwas wollen ?!

Möge es doch allen bewußt werden, welcher Schatz erworben wird, wenn man sich in Genügsamkeit übt, wenn Alt und Jung füreinander da sind und sich umeinander sorgen. Jeder erfährt dabei eine unbeschreibliche Bereicherung in jeder Beziehung !

Noch ist es für einen Umdenkprozess nicht zu spät.

Fassen wir endlich Mut, den Teufelskreis zu durchbrechen !

Vorgelebte Bescheidenheit, besonders auf den höheren Rängen, könnte da Wunder wirken.

Horst Reinhard Haake