St. Petersburg - Venedig des Nordens

Ein Reisebericht von Werner Norbeteit

Die Gründung von St. Petersburg geht auf das Jahr 1703 zurück. Peter der Große hatte gerade seinen Sieg über seine Nachbarländer im Norden Rußlands errungen. Seine Selbstdarstellung und vor allem seine imposante Gestalt ermutigten ihn, das eroberte Land im Sumpfgebiet der Newamündung zur neuen Hauptstadt Rußlands zu machen. Ausländische Ingenieure und Künstler halfen ihm bei der Planung und beim Bau einer Stadt, die sich stilmäßig an bereits bestehende europäische Hauptstädte anschließen sollte. Nach seiner Meinung sollte sie eines europäischen Herrschers würdig sein vor dem Hintergrund des bislang rückständigen Zarenreiches im Vergleich mit Westeuropa. Alles dieses führte dazu, daß sich Peter der Große in der späteren Stadt an der Newa prunkvoll einzurichten begann. Seine Nachfolger taten es ihm gleich, handelten ganz in seinem Sinn. Es entstand ein Kunstzentrum von Weltrang.

Die Bezeichnung Zar ist zurückzuführen auf den römischen Feldherrn Cäsar und bedeutet Eroberung und Herrschaft. Alle Mitglieder der Großfürstenfamilie Romanow, die erstmals im 14. Jahrhundert die Macht im damaligen Rußland übernahm, tragen den Titel Zar. Die Familie verlor ihre Macht mit Beginn der Revolution im November 1917.

Neben der Eremitage im Winterpalast an der Newa später kam das Russische Museum hinzu, das gerade 100jähriges Bestehen feierte, mit den unsagbaren Schätzen, die von allen russischen Herrschern zusammengetragen wurden können nur wenige Museen in Europa bestehen. Trotz späterer Wirren hat vieles den Glanz der Residenzstadt St. Petersburg überdauert.

An Peter den Großen erinnert heute ein Standbild, das in einer Parkanlage zwischen Admiralität und Isaakskathedrale steht. Peter sitzt in Lebensgröße auf einem Pferd, das auf einem riesigen Granitblock steht das Pferd wiederum auf beiden Hinterbeinen und dem Schweif. Dieses ist besonders zu erwähnen, da erstmals in Europa einem Künstler eine derartige Darstellung gelang. Der Granitblock stellt eine Meereswoge dar. Mehr als tausend Menschen haben mehr als vier Monate benötigt, um den tausendsechshundert Tonnen schweren Findling aus Karelien nach St. Petersburg zu bringen.

Isaak-Kathedrale, Hauptkirche von St. Petersburg Unsere Reisegruppe benötigte für den Flug von Düsseldorf nach St. Petersburg exakt zwei Stunden und zwanzig Minuten. Wir hatten auf dem kürzesten Weg über die Ostsee 1.800 Flugkilometer zurückgelegt.

Galina, unsere ständige Begleiterin für den Aufenthalt in der Stadt an der Newa, begrüßte uns mit "Dobri wetscher Guten Abend". Wir mußten uns, als wir auf dem Flughafen Pulkov russischen Boden betraten, an einen Zeitunterschied von zwei Stunden gewöhnen.

Das Hotel Pulkowskaja, in dem wir abstiegen, übertraf alle Erwartungen. Komfort und Betreuung vom Feinsten. Serviert wurde alles, was Küche und Keller nur herzugeben vermochten. Die Stadt nun ausgiebig kennenzulernen, stand nichts mehr im Wege.

Zunächst aber noch einiges zur Stadt selbst:

Peter-Paul-Festung auf der Haseninsel mit Kathedrale und Zarenbegräbnisstätte Etwa Anfang des 18. Jahrhunderts genau 1703 legte Peter der Große den Grundstein für das spätere St. Petersburg. Im Mündungsdelta des Newaflusses im finnischen Meerbusen gelegen, steht die Stadt auf einer Fläche von etwa 600 km² mit ca. 5 Mio. Einwohnern, vorwiegend slawischer Abstammung, heute auf etwa 40 kleineren und auch größeren Inseln. Die Region um Petersburg herum heißt heute noch Leningrad gliedert sich in 35 Gebiete mit 39 Städten Gesamtgröße 86 000 km² etwa so groß wie Österreich. Dieses habe ich erwähnt, weil es in diesem Gebiet noch eine Reihe von Palästen gibt so bekannte wie Puschkin (Katharinenschloß) und Peterhof.

Petersburg selbst liegt nur wenige Meter über dem Meeresspiegel und wurde ausschließlich auf Pfahlgründungen errichtet. Die Anzahl der Kanäle und der sich über sie spannenden Brücken ist kaum vorstellbar.

Das Klima ist relativ mild. Die permanent hohe Luftfeuchtigkeit allerdings bereitet den hier lebenden Menschen in den Wintermonaten ab Oktober erhebliche Schwierigkeiten.

Das Herz der Stadt ist die Haseninsel, denn hier begann Peter der Große zunächst mit dem Bau der nach ihm benannten Peter Paul Festung. Bastion und Kathedrale sind die Hauptteile der Insel. In der letzteren befindet sich die Bestattungskirche (Großfürstengruft wurde erst Anfang 1900 für die Mitglieder der Zarenfamilie geweiht). Die sterblichen Überreste der letzten, 1917 umgebrachten, Zarenfamilie wurden im Jahr 1998 im Beisein von Präsident Jelzin überführt und hier endgültig beigesetzt.

Der vergoldete Glockenturm der Kathedrale hat eine Höhe von 125 m und ist bis weit ins Land zu sehen.

An den Beginn der Revolution gegen das Zarentum erinnert der am gegenüberliegenden Flußufer vertäute Panzerkreuzer Aurora. Von dort aus begann in der Zeit vom 6. bis 8. November 1917 der Sturm auf den Winterpalast, der letztlich zum Ende des Zarentums führte.

Erwähnt werden soll an dieser Stelle noch, daß es bis zur Revolution noch eine Reihe von Adelsfamilien gab. Die bekannteste war die von Fürst Jussopow. In deren Palast wurde der bekannte Wunderheiler Rasputin ermordet.

Nach diesem nun doch umfangreichen Vorspann möchte ich jetzt das angekündigte Programm "St. Petersburg Venedig des Nordens" ablaufen lassen. In der Skizze am Schluß meines Berichtes sind unter den Ziffern 1 - 15 die wesentlichen Punkte in St. Petersburg festgehalten, die wir besucht und besichtigt haben.

St. Petersburg 5. Oktober 1998: Vom Hotel aus fahren wir über den Moskau-Prospekt in die Innenstadt. Ehe wir zum Newskij-Prospekt wechseln, passieren wir das Moskauer Tor mit seiner Quadriga. Jeder, der in den Jahren der Stadtentstehung in die Stadt wollte, mußte für den Bau des Tores einen Stein mitbringen.

Der Name Prospekt steht für geradlinig verlaufende Straßen / Alleen. Wegen ihrer geographischen Lage begann man mit dem Bau der Stadt zunächst entlang der vorab auf Pfahlgründungen errichteten Projekte. Nach Passieren des Moskauer Tores wechseln wir in nördlicher Richtung auf den Newskij-Prospekt und überqueren die Fontanka in der Nähe der Kasaner-Kathedrale zweitgrößte Kathedrale Petersburgs benannt nach der tatarischen Hauptstadt Kasan. Es folgt ein kleiner Flußarm, die Mojka, unser erstes Ziel. Von weitem schon leuchten die blauweißen und vergoldeten Kuppeln der Auferstehungskathedrale (Erlöserkirche), eines der schönsten Bauwerke von Petersburg. Fünf Türme, der mittlere und höchste 94 m hoch. Ursprünglich sollte die Kirche Bestandteil eines Klosters werden. Wegen akustischer Verhältnisse hat man hiervon abgesehen. Bekanntlich wird in der orthodoxen Kirche die gesamte Liturgie von Mönchen und Popen gesungen. Das Gebäude wird bis heute für Ausstellungen und als Museum genutzt.

Traurige Berühmtheit: Im Verlaufe einer Studentenrevolution kam Zar Alexander II in dieser Kirche ums Leben. Der Name Erlöserkirche soll hiermit im Zusammenhang stehen.

Unser weiterer Weg führt uns zur Isaak-Kathedrale, Hauptkirche von Petersburg, eigentliches Wahrzeichen im Zentrum der Stadt. Vierzig Jahre dauerte die Errichtung des Bauwerks, bis es im Jahre 1885 fertig gestellt war. Vor Baubeginn mußte der sumpfige Boden zunächst mit Tausenden von Baumstämmen befestigt werden. Schwierig war auch die Aufstellung und die Stabilisierung von 48 Granitsäulen an der Vorderfront des Gebäudes mit einer Höhe von jeweils 17 Metern, von denen jede einzelne 1600 t wiegt. Für die Gestaltung der Hauptkuppel wurden 100 Zentner und für die Innengestaltung 300 Zentner Dukatengold verarbeitet.

Die Isaakkathedrale wurde zunächst bei ihrer Planung dem Petersdom in Rom weitgehend nachempfunden und somit einer der größten und auch der höchsten Kuppelbauten der Welt. Zu den Gebäuden rund um den IsaaksPlatz gehört nicht zu übersehen auch das weltbekannte Hotel Astoria, das immer noch im alten Glanz erstrahlt.

Unser weiterer Weg führte uns, ehe wir zur Haseninsel kommen, zum Kloster Smolnyi, eine fünfkupplige Kirche im klassizistischen Stil gebaut. Hier wurde 1893 die Totenmesse für Peter Tschaikowskij gehalten.

Über die Haseninsel am östlichen Newaufer habe ich eingangs bereits berichtet.

6. Oktober 1998

Am Vormittag besuchen wir das Alexander-Newskij-Kloster. Wir nehmen an einem Gottesdienst teil und sind fasziniert von der musikalischen Gestaltung. Die gesamte Liturgie wird gesungen. Wie in allen Kathedralen und Kirchen im Stehen. Es gibt keine Sitzmöglichkeiten. Das Kloster wird beidseitig begleitet von Lazarus und dem Tichwinerfriedhof. Wir stehen an den Gräbern berühmter Musiker und Literaten u.a. Peter Tschaikowski, Modest Mussorgskij, Rimskij Korsakow, Alexander Borodin, aber auch Literaten wie Leonid Tolstoi und Feodor Micahailowitsch Dostojewskij (Der Spieler, Der Idiot u.v.m.).

Der Nachmittag gehört dem Winterpalast mit der Eremitage eine der berühmtesten Gemäldesammlungen der Welt. Sie wurde 1756 von Katharina II. gegründet.

7. Oktober 1998

Wir sind im Russischen Museum, das gerade 100 Jahre alt wurde. In erster Linie gilt unser Besuch auch hier der Gemäldegalerie, in der Werke aus ganz Rußland zusammengetragen sind eine der wertvollsten Sammlungen aus der russischen Kunst vom 11. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Am frühen Nachmittag fahren wir in das 35 km entfernte Puschkin sein früherer Name war Zarskoje Selo. Die Umbenennung erfolgte 1937 anläßlich des 100. Geburtstags von Alexander Puschkin. Eine Blaskapelle in historischen Uniformen begrüßte uns am Parktor des Katharinenpalastes mit dem Marsch Alte Kameraden. In diesem prächtigen Palast Katharinas II. befand sich u.a. das legendäre Bernsteinzimmer. Zur Zeit ist man damit beschäftigt, dieses an gleicher Stelle nachzuempfinden. Wir konnten uns hiervon eingehend überzeugen. Sehenswert auch ein etwa 900 m² großer Festsaal in diesem imponierenden Palast aber auch die umfangreichen, im englischen Stil angelegten Parkanlagen. Ein tolles Farbenspiel bei herbstlichem Sonnenwetter die vergoldeten Kuppeln des Palastes bei azurblauem Himmel, die herbstlich bunten Baumgruppen etc.

8. Oktober 1998

Ich hatte bereits erwähnt, daß es in Petersburg vor der Revolution zahlreiche Adelsfamilien gab. Die bekannteste war die des Fürsten Jussopow, dessen Palast in der Innenstadt sogar über ein eigenes Theater für 200 Personen verfügt. In diesem Palast wurde 1916 der aus Sibirien kommende Mönch Rasputin ermordet, nachdem sein unheilvoller Einfluß auf die Staatsgeschäfte immer größere Ausmaße annahm. Er hatte der Zarin Alexandra versprochen, ihren an der Bluterkrankheit erkrankten Sohn zu heilen, als er 1906 nach Petersburg kam.

Der Winterpalast, Eingang zur Eremitage

9. Oktober 1998

Wir besuchen die 350 km entfernt liegende alte Hanse und Handelsstadt Nowgorod an Wolchowfluß und Ihmensee. Diese Stadt war bereits im frühen Mittelalter eine wichtige Nahtstelle an der Verbindungsstraße von Byzanz / Konstantinopel und dem heutigen Istanbul über Moskau nach Skandinavien.

Wir sehen zunächst das Jurgewig-Kloster aus dem 12. Jhd., direkt am Ihmensee gelegen, das nur noch von vier Mönchen bewohnt ist, sowie ein in der Nähe gelegenes Freilichtmuseum mit alten russischen Bauernhäusern, einem Ziehbrunnen, einer kleinen Holzkirche u.a. Hier konnte ich meiner Frau auch endlich einen Pietschko zeigen, den in jedem russischen Bauernhaus anzutreffenden Zimmerofen Stätte für Schlaf und Kochen, aber auch für das Kleinvieh im Winter.

Sehenswert der Kreml von Nowgorod, direkt am Wolchow, und die einbeschlossene fünfschiffige Sophienkathedrale mit ihren vergoldeten und blauen Zwiebeltürmen.

Auf der gegenüberliegenden Flußseite, die weithin sichtbaren Restfundamente der alten Lagerhallen aus der Hansezeit. Bekannt ist auch das Ikonenmuseum.

Katharinen-Palast mit Bernsteinzimmer
Peterhof, Sommerresidenz Peters des Grossen
10. Oktober 1998

Eine Reise nach St. Petersburg bedeutet auch ein "Muß" zu einem Ausflug nach Peterhof, etwa 30 km von Petersburg entfernt. In einem großen, herrlichen Park am Finnischen Meerbusen liegt die Sommerresidenz Peter des Großen. Nicht nur der Palast hat seinen Reiz vor allem der Park mit seinen vielen Fontänen, Brunnen und Wasserspielen (artesisch), die über Kaskaden in das Meer abfließen. Wir hatten Glück, mit Blick auf das für die Jahreszeit noch gute, warme Wetter wurden die Wasserspiele erst am Tag nach unserem Besuch abgestellt normalerweise Ende September.

Auf der Rückfahrt nach Petersburg sehen wir in Peterhof noch kurz die Peter-Paul-Kathedrale.

Am gleichen Abend krönender Abschluß unserer Reise: Im Mussorgskij-Theater am Platz der Künste sehen wir Peter Tschaikowskijs Ballett Dornröschen. Am Ende Standing Ovations! In diesem ältesten Theater von St. Petersburg wird vorwiegend Ballett gespielt, aber auch Oper.

11. Oktober 1998

Am Flughafen aber auch schon im Hotel großes Abschiednehmen von unsern Betreuern und auch schon Freunden. Eine wunderschöne Reise ging zu Ende. Unser großes Glück: Der Rückflug dauerte nur 20 Minuten, wie wir später beim Uhrenvergleich in Düsseldorf feststellten.

Zur Skizze:
St. Petersburg Venedig des Nordens mit seinen Kathedralen und Palästen, Denkmälern und Museen historischer Stadtkern
  1. Auferstehungs-Kathedrale/ Erlöserkirche/ Heiligblut-Kirche
  2. Eremitage im Winterpalast
  3. Admiralität
  4. Peter-Paul-Festung mit Kathedrale und Zarengruft
  5. Isaaks-Kathedrale
  6. Denkmal Peters des Großen auf dem Senatsplatz am Newa-Ufer
  7. Kloster Smolnyi/ Christi-Verklärungs-Kathedrale
  8. Panzerkreuzer "Aurora"
  9. Blick von der Haseninsel über den Newa-Fluß auf den Winterpalast
  10. Kasaner-Kathedrale am Newskij-Prospekt, gegenüber das "Haus der Bücher" im "Singer Haus" neben der Fontanka-Brücke
  11. Russisches Museum
  12. Palais Jussopow
  13. Alexander-Newskij-Platz
  14. Alexander-Newskij-Kloster mit Lazarus- und Tichwiner-Friedhof
  15. Platz der Künste, u.a. das Mussorgskij-Theater (ältestes Theater für Ballett und Oper)